Belgien
Gesetzliche Erbfolge
Im belgischen Erbrecht kann man Verwandte des Erblassers als gesetzliche Erben in vier Klassen einteilen. Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten wird nach Maßgabe der folgenden Grundsätze ermittelt:
- Verwandte nachfolgender Klassen sind durch solche einer vorhergehenden Klasse von der Erbfolge ausgeschlossen
- Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind gradmäßig entferntere Verwandte durch gradmäßig nähere Verwandte ausgeschlossen; sind Verwandte gleichen Grades zur Erbfolge berufen, so erben sie untereinander zu gleichen Teilen
- Wenn Aszendenten oder Seitenverwandte (der dritten und vierten Klasse) zur Erbschaft berufen werden, erben Personen aus mehreren Verwandtschaftslinien. Diesfalls kommt es für die Aufteilung des Nachlasses auf die verschiedenen Linien nicht auf den Grad der Verwandtschaft an; jede Linie erbt zu gleichen Teilen.
- Abkömmlinge eines weggefallenen Erben treten bei gesetzlicher, nicht aber bei gewillkürter Erbfolge an seine Stelle; dieser Grundsatz der Erbvertretung gilt uneingeschränkt nur bei Abkömmlingen, nicht jedoch bei Verwandten in der aufsteigenden Linie
Erben erster Klasse: Abkömmlinge
Abkömmlinge ersten Grades erben zu gleichen Teilen und nach Köpfen. Nichteheliche und adoptierte Kinder sind den ehelichen bzw den leiblichen gleichgestellt.
Erben zweiter Klasse: Privilegierte Aszendenten und Seitenverwandte
Ein ohne Abkömmlinge verstorbener Erblasser wird von beiden Elternteilen zur einen Hälfte und zur anderen Hälfte von seinen Geschwistern beerbt. Die Geschwister erben untereinander jeweils zu gleichen Teilen. Leben zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers beide Eltern, hinterlässt er jedoch weder Kinder noch Geschwister oder Abkömmlinge von diesen, so erben beide Elternteile zu gleichen Teilen. Gelangt nur ein Elternteil zur Erbfolge, so erbt dieser zu 1/4 und die Geschwister zu 3/4. Leben beide Elternteile nicht mehr, so erben die Geschwister zu gleichen Teilen.
Erben dritter Klasse: Nicht privilegierte Aszendenten
Verstirbt der Erblasser ohne Hinterlassung von Abkömmlingen, Geschwistern oder Abkömmlingen von diesen, so wird der Nachlass auf die Aszendenten der mütterlichen und der väterlichen Linie zu je 1/2 aufgeteilt. Zwischen den beiden Linien kommt es für die Feststellung des Erbrechts nicht auf den Verwandtschaftsgrad an. Innerhalb der väterlichen und der mütterlichen Linie erben jeweils die gradnächsten Aszendenten, Aszendenten gleichen Grades innerhalb einer Linie untereinander zu gleichen Teilen.
Erben vierter Klasse: Nicht privilegierte Seitenverwandte
Die vierte Klasse wird durch die Seitenverwandten des Erblassers gebildet, die nach Maßgabe des Gradsystems und zu gleichen Teilen erben, sofern Erben der vorhergehenden Erbklassen nicht vorhanden sind. Es ist zu beachten, dass nur Seitenverwandte bis zum 3. Grad zur Erbfolge berufen sind, es sei denn, es greifen die Regelungen über die Erbvertretung.
Gesetzliches Ehegattenerbrecht
Der Umfang des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten wird durch den Güterstand, in dem er mit seinem vorverstorbenen Ehepartner gelebt hat, und durch das Vorhandensein erbberechtigter Verwandter bestimmt.
Neben Abkömmlingen des Erblassers erbt der überlebende Ehegatte ein Nießbrauchrecht am gesamten Nachlass, also an dem Eigengut des Verstorbenen, und, sofern die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft oder im vertraglichen Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft gelebt haben, auch ein Nießbrauchbrecht an seinem Anteil am Gesamtgut.
Neben Verwandten in der zweiten oder der dritten Klasse erbt der überlebende Gatte
- In der Errungenschaftsgemeinschaft oder der allgemeinen Gütergemeinschaft: Das volle Eigentum des Anteils des Verstorbenen am Gesamtgut und das Nießbrauchrecht an seinem Eigengut
- In der Gütertrennung: Das volle Eigentum am Anteil des Verstorbenen im ausschließlich zwischen dem Vorverstorbenen und dem überlebenden Ehegatten bestehenden Miteigentum sowie ein Nießbrauchrecht über das restliche Sondergut des Verstorbenen
Hinterlässt der Erblasser keine Erben aus den drei ersten Erbklassen, so ist der überlebende Ehegatte sein Alleinerbe.
Erbrecht des Lebensgefährten; gesetzliches Zusammenwohnen
Neben der Eheschließung kennt das belgische Erbrecht auch die Institution des „gesetzlichen Zusammenwohnens“. Hierzu bedarf es einer schriftlichen Erklärung beider Partner, die dem Standesbeamten am gemeinsamen Wohnsitz zu übergeben ist. Der „gesetzlich Zusammenwohnende“ hat ein eingeschränktes gesetzliches Erbrecht in Form eines Nießbrauchs an der, mit dem Verstorbenen zuletzt gemeinsam bewohnten Immobilie sowie ein Nießbrauchsrecht an dem Hausrat, sofern es sich bei ihm nicht gleichzeitig um einen Abkömmling des Verstorbenen handelt. Der gesetzliche zusammenwohnende Partner hat aber kein Noterbrecht, sodass ihm das Erbrecht testamentarisch entzogen werden kann. Rein tatsächliches Zusammenleben oder eine rein faktische Lebensgemeinschaft begründen allerdings keinerlei gesetzliches Erbrecht.
Formvorschriften Testament
Als ordentliche Testamentsformen kennt das belgische Recht das eigenhändige Testament, das in notarieller Urkunde errichtete Testament und das internationale Testament nach dem Washingtoner Übereinkommen von 1973.
Gemeinschaftliche Testamente sind verboten und unwirksam. Seit 2018 ist es in Belgien gestattet, dass ein künftiger Erblasser einen Vertrag mit seinen künftigen Erben bezüglich seines künftigen Nachlasses, also einen Ehevertrag, abschließt.
Testierfähigkeit nach belgischem Recht erfordert volle Geschäftsfähigkeit. Minderjährige, also Personen < 18 Jahre, sind in ihrer Testierfähigkeit beschränkt; Personen < 16 Jahre können kein Testament errichten.
Das eigenhändige Testament muss eigenhändig verfasst und unterschrieben sein. Außerdem muss es zu seiner Wirksamkeit auch datiert sein.
Pflichtteilsrecht
Das belgische Recht begrenzt die Befugnis, Verfügungen von Todes wegen zu errichten durch das Noterbrecht der Vorbehalts- bzw Pflichterben. Zu diesem Personenkreis zählen die Abkömmlinge und der Ehegatte; die Aszendenten sind mit der belgischen Erbrechtsreform 2018 aus diesem Kreis ausgeschieden.
Nur, wenn solche Personen nicht vorhanden sind, kann der Erblasser frei über sein gesamtes Vermögen verfügen, ansonsten nur über den Teil des Nachlasses, der nicht mit Noterbrechten belegt ist. Eine Überschreitung dieser Quote in einer Verfügung von Todes wegen führt nicht zu ihrer Unwirksamkeit. Die Noterben sind viel mehr berechtigt, die Herabsetzung der Zuwendung insoweit zu verlangen, dass ihr Noterbrecht gewahrt bleibt.
Für Erbschaften seit Inkrafttreten der Erbrechtsreform 2018 beträgt der Pflichtteil für Abkömmlinge die Hälfte der Erbmasse, ganz gleich wie viele Kinder der Erblasser hinterlässt.
Hinterlässt der Erblasser neben Abkömmlingen einen Ehegatten, so kann er diesem die unter Berücksichtigung der Anzahl der Kinder vorhandene freie Quote des Nachlasses zu vollem Eigentum vermachen und darüber hinaus ein Nießbrauchrecht an der Quote des Nachlasses, die dem Noterbrecht der Kinder unterliegt. Umgekehrt hat der Ehegatte ein Noterbrecht in Form eines Nießbrauchrechts am halben Nachlass des Verstorbenen. Statt des Nießbrauchrechts am halben Nachlass kann der Ehegatte den Nießbrauch an der ehelichen Wohnung und an dem Hausrat verlangen, und zwar unter der Anrechnung auf die abstrakte Nießbrauchquote, ohne aber hierdurch begrenzt zu werden. Daraus folgt, dass durch diesen Anspruch das Vermögen, welches dem Nießbrauchrecht unterliegt, die Quote von 1/2 am Nachlass übersteigen kann.
Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten
Lebzeitige Schenkungen des Erblassers, die die verfügbare Quote übersteigen, sind nicht automatisch unwirksam. Die Noterben haben allerdings das Recht, die Herabsetzung und ggf die Herausgabe insoweit zu verlangen, dass ihr Noterbrecht gewahrt bleibt. Von dieser Herabsetzung sind die getätigten Schenkungen in zeitlicher Reihenfolge, beginnend mit der jüngsten Verfügung, in dem Maße betroffen, bis die verfügbare Quote wieder erreicht ist. Dabei sind die lebzeitigen Schenkungen dem Nachlass zur Berechnung der Noterbquote ohne zeitliche Beschränkung hinzuzurechnen.
Die Rechte der Noterben sind beschränkt, soweit sie einer Schenkung an eine in gerader Linie zur Erbschaft berufenen Person zugestimmt haben.
Pflegevermächtnis
Es gibt keine Hinweise auf das Bestehen eines Pflegevermächtnisses.
Verlassenschaftsverfahren
In Belgien ist die Nachlassabwicklung ein Kernbereich der notariellen Tätigkeit; die Aufgaben, welche die Notare im Bereich des Erbrechts wahrnehmen, sind dabei sehr umfangreich. Die Dienstleistungen, welche der Notar übernimmt, werden in Belgien nicht von Nachlassgericht und dort tätigen Rechtspflegern angeboten. Nur in besonderen, gesetzlich geregelten fällen sind im Rahmen der Abwicklung gerichtliche erfahren und Entscheidungen erforderlich.
Folgende Verfahrensschritte sind jedenfalls geboten:
- Mitteilung des Todes an das örtlich zuständige Standesamt
- Versiegelung
- Hinterlegung des eigenhändigen Testaments bei einem Notar; notarielles Protokoll zur Eröffnung und Zustandsbeschreibung des Testaments; falls das Testament nicht bereits dem Notar vor dem Tode des Erblassers zur Aufbewahrung ausgehändigt wurde und somit im Zentralen Register für Testamente vermerkt war, wird das Testament spätestens nach seiner Eröffnung in diesem Register eigentragen
- Annahme (unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung) oder Ausschlagung des Nachlasses
- Erteilung einer Erbfolgeurkunde oder einer Erbfolgebescheinigung
- Besitzeinweisung durch den Präsidenten des Gerichts erster Instanz
- Vermächtnisaushändigung durch den (Not)Erben und Universalvermächtnisnehmer
- Inventarerrichtung und Öffnung von Bankschließfächern
- Erbschaftsteuererklärung
- Freiwillige oder gerichtliche Liquidation und Teilung
Weitere Verfahrensschritte können je nach Einzelfall nützlich oder notwendig sein.
Nachlasserwerb
Auf die Erben geht der Besitz der Güter und Rechte des Verstorbenen von Rechts wegen über. Das belgische Recht erfordert nicht die Beurkundung der Erbschaftsannahmeerklärung. Die Annahme des Nachlasses kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen; die Ausschlagung muss ausdrücklich erfolgen und die Ausschlagungserklärung muss durch notarielle Urkunde erfolgen.
Testamentseröffnung
Hat der Erblasser ein eigenhändiges oder ein internationales Testament errichtet, ist vor der Ausführung der letztwilligen Verfügung eine notarielle Urkunde über die Eröffnung und den Zustand des Testaments zu erstellen. Das Testament und die Niederschrift über die Eröffnung und den Zustand werden von dem amtierenden Notar aufbewahrt. Eine beglaubigte Ausfertigung der Urkunde und des Testaments übermittelt der Notar dem Gericht erster Instanz des Bezirks, in dem der Erbfall eingetreten ist.