Erbrecht und Testament im Überblick

Allgemeines

Dieser Beitrag dient als erste Anlaufstelle zum Thema Erbrecht und Testament in Österreich. Er bietet einen umfassenden, leicht verständlichen Überblick zu den wichtigsten Begriffen und Regelungen, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Für tiefergehende Fragen finden Sie auf meiner Homepage weiterführende Inhalte und beantworte ich konkrete Fragen zu Ihrer Familienkonstellation gerne im Rahmen eines persönlichen Erstgesprächs.

Bedeutung und Relevanz des Erbrechts

Das Erbrecht regelt, wer im Todesfall welche Rechte übernimmt und welchen Anteil am Vermögen des Verstorbenen erhält. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema ist sinnvoll, um Streitigkeiten zu vermeiden und den eigenen letzten Willen rechtssicher zu gestalten.

Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass ohne schriftliche Regelung im Todesfall die gesetzliche Erbfolge automatisch greift – unabhängig davon, ob dies dem Willen des Verstorbenen entspricht. Daher sollte sich jede Person – insbesondere ab dem Erwerb ersten Eigentums oder mit Familiengründung – rechtzeitig Gedanken zur Nachfolge machen.

Was kann vererbt werden?

Vererbt werden können grundsätzlich sämtliche Vermögenswerte: Liegenschaften, Fahrzeuge, Bilder, Bankguthaben, Schmuck, Unternehmensanteile oder auch Rechte – etwa Zugangsrechte, Wohnrechte oder Nießbrauchrechte.

Nicht vererbt werden hingegen sogenannte höchstpersönliche Rechte, die direkt mit der Person verbunden sind (z. B. persönliche Verpflichtungen wie die Erstellung eines Kunstwerks oder Belastungs- und Veräußerungsverbote). Ebenso wenig können persönliche Auszeichnungen oder bestimmte staatliche Berechtigungen weitergegeben werden.

Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht

Hat eine verstorbene Person kein Testament hinterlassen, greift die gesetzliche Erbfolge gemäß §§ 730 ff ABGB. Dabei wird das Vermögen nach gesetzlich festgelegten Quoten unter den gesetzlichen Erben (z. B. Ehegatten, Kinder, Eltern) aufgeteilt.

Die gesetzliche Erbfolge erfolgt nach Ordnungen:

  1. Ordnung: Nachkommen (Kinder, Enkel, Urenkel)
  2. Ordnung: Eltern und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten, Neffen)
  3. Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen

Zu unterscheiden ist dies vom Pflichtteilsrecht: Bestimmte Personen – insbesondere Ehepartner und Kinder – haben selbst dann Anspruch auf einen Teil des Nachlasses, wenn sie testamentarisch nicht oder nur eingeschränkt bedacht wurden.

Der Pflichtteil entspricht grundsätzlich der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und richtet sich nach dem „reinen Nachlass“, also dem Vermögen des Verstorbenen abzüglich etwaiger Schulden.

Pflichtteilsberechtigt sind:

  • Ehepartner oder eingetragene Partner
  • Nachkommen (Kinder, Enkelkinder)

Nicht pflichtteilsberechtigt sind Eltern, Geschwister oder Lebensgefährten – es sei denn, sie wurden ausdrücklich testamentarisch berücksichtigt.

Pflichtteil des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners

  • Hat der Verstorbene leibliche Kinder, beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten 1/3 des Nachlasses. Der Pflichtteil beträgt in diesem Fall 1/6.
  • Ist ein Kind vorverstorben, geht dessen Pflichtteilsanspruch auf die eigenen Nachkommen (Enkelkinder) über.
  • Sind keine Kinder, aber die Eltern des Verstorbenen vorhanden, erhält der Ehegatte 2/3 gesetzlich, der Pflichtteil beträgt 1/3.
  • Neben Großeltern oder Urgroßeltern erbt der Ehegatte alles; sein Pflichtteil beträgt 1/2.

Hinweis: Kinder des vorverstorbenen Ehegatten, die nicht zugleich Kinder des Verstorbenen sind (Stiefkinder), sind gesetzlich nicht erb- oder pflichtteilsberechtigt. Möchte man diese bedenken, muss ein Testament errichtet werden.

Beispiel:
Die Verstorbene ist in zweiter Ehe mit B verheiratet und hinterlässt zwei Kinder X und Y aus erster Ehe.

Variante 1: Im Testament setzt er seine beiden Kinder zu gleichen Teilen als Erben ein. B hat als Ehegattin einen Pflichtteilsanspruch gegen die Kinder im Ausmaß von 1/6-tel des Nachlasses.

Variante 2: Im Testament setzt er seine zweite Gattin B als Alleinerbin ein. Die Kinder X und Y haben jeweils einen Pflichtteilsanspruch im Ausmaß von 1/6-tel des Nachlasses.

Pflichtteil der Kinder

  • Der Pflichtteil leiblicher oder adoptierter Kinder beträgt die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils.
  • Neben einem Ehegatten beträgt der gesetzliche Erbteil aller Kinder gemeinsam 2/3; der Pflichtteil also 1/3.
  • Dieser Pflichtteil wird gleichmäßig unter den berechtigten Kindern aufgeteilt. Stirbt ein Kind vor dem Erblasser, geht der Anspruch auf dessen Nachkommen über.

Beispiel 1: Die Verstorbene hinterlässt ihre eingetragene Partnerin und ein Kind. Der Pflichtteil der Partnerin beträgt 1/6; jener des Kindes 1/3.

Beispiel 2: Die Verstorbene hinterlässt drei Kinder, A, B und C. A ist vorverstorben, hinterlässt jedoch zwei Kinder. Die Verstorbene setzt eine gemeinnützige Organisation als Erbin ein. B und C erhalten jeweils 1/6, die Kinder des A je 1/12 des Nachlasses als Pflichtteil.

Hinweis: In einer letztwilligen Verfügung kann eine Stundung des Pflichtteils vorgesehen werden, sodass dieser nicht sofort fällig wird.

Testament und letztwillige Verfügung

Der Oberbegriff „letztwillige Verfügung“ umfasst sowohl das Testament als auch das Legat.

  • Testament: Ermöglicht die Erbseinsetzung nach Quoten. Etwa: „Meine beiden Kinder erben je zur Hälfte.“
  • Legat (Vermächtnis): Konkrete Zuwendung einzelner Vermögenswerte an bestimmte Personen. Etwa: „Meine Tochter A erhält das Haus in Tulln, meine Frau die Wohnung in Wien.“

Gerade bei schwer teilbaren Vermögenswerten wie Liegenschaften kann ein Legat sinnvoll sein. So erhalten Begünstigte nicht bloß Anteile, sondern klar abgegrenzte Vermögenswerte.

Ein Testament kann auf unterschiedliche Weise errichtet werden:

  • Eigenhändiges Testament: Muss vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben sein.
  • Fremdhändiges Testament: Wird maschinell erstellt und muss in Anwesenheit von drei Zeugen unterzeichnet werden.
  • Notarielles Testament: Wird beim Notar erstellt und ist besonders rechtssicher.

Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt sich zudem die Registrierung des Testaments im Österreichischen Zentralen Testamentsregister.

Besondere Situationen im Erbrecht

Patchwork-Familien und Lebensgemeinschaften

  • Stiefkinder sind nicht erbberechtigt, sofern kein Testament besteht.
  • Lebensgefährten sind ebenfalls nicht automatisch erbberechtigt – eine Verfügung zugunsten dieser Personen ist daher notwendig.
  • In komplexen Familienkonstellationen empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, um die gewünschte Vermögensverteilung durchzusetzen.

Erbverzicht und Erbausschlagung

  • Erbverzicht: Kann zu Lebzeiten vereinbart werden, meist gegen Abfindung. Er muss notariell beurkundet werden.
  • Erbausschlagung: Erfolgt nach dem Todesfall, z. B. um eine Überschuldung zu vermeiden. Muss innerhalb einer bestimmten Frist erklärt werden.

Schenkungen und vorweggenommene Erbfolge

Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteil beeinflussen – vor allem, wenn sie in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Todesfall erfolgen. Solche Zuwendungen werden bei der Pflichtteilsberechnung unter Umständen berücksichtigt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die sogenannte „Pflichtteilsergänzung“ – bei größeren Schenkungen kann es sein, dass der Pflichtteil erhöht wird.

Fazit

Manche Familiensituationen können erbrechtlich betrachtet sehr verstrickt sein. Eine vorausschauende Nachlassplanung schafft Klarheit und Sicherheit – für einen selbst wie auch für die Angehörigen. Gerne informiere ich Sie im Rahmen eines Erstgesprächs über Ihre individuellen Möglichkeiten im Erbrecht sowie zur Testamentserrichtung.

Schreiben Sie ein E-Mail an office@kanzlei-rauf.at oder rufen Sie mich einfach direkt unter +43 664 925 5245 an. Sie können natürlich auch das Kontaktformular auf meiner Website nutzen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Erbrecht und Testament:

Nützlicher Hinweis:

Gemäß § 1487a ABGB können einzelne erbrechtliche Ansprüche, wie das Recht, ein Testament anzufechten, den Geldpflichtteil oder eine Schenkungsanrechnung zu fordern, bereits nach 3 Jahren verjähren.

Kontakt

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Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge: Ehegatten und Kinder haben Vorrang. Gibt es keine, erben Eltern, Geschwister und Großeltern nach Reihenfolge.

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten Angehörigen (v. a. Kindern und Ehepartnern) zusteht – auch gegen den Willen des Erblassers.

Ein eigenhändiges Testament muss handschriftlich und unterschrieben sein. Für fremdhändige Testamente gelten Zeugenpflicht und Formulierungen. Ein notarielles Testament bietet zusätzliche Sicherheit.