Schenkungspflichtteil – Wenn Geschenke das Erbe beeinflussen
Das österreichische Erbrecht sichert nahen Angehörigen (Kindern, Ehegatten, eingetragenen Partnern) einen Pflichtteil am Nachlass zu. Dieser Anspruch ist zwingend und soll eine Mindestabsicherung garantieren.
Doch was passiert, wenn der Erblasser sein Vermögen schon zu Lebzeiten durch großzügige Schenkungen verringert? Um zu verhindern, dass Pflichtteilsberechtigte dadurch leer ausgehen, gibt es den Schenkungspflichtteil. Bestimmte Schenkungen werden also für die Berechnung des Pflichtteils rechnerisch wieder zum Nachlass hinzugezählt.
Was genau gilt als Schenkung?
In der Regel ist damit jede unentgeltliche Zuwendung von wirtschaftlichem Wert gemeint. Typische Beispiele sind:
- Größere Geldgeschenke
- Die Schenkung eines Autos, Sparbuchs oder einer Wohnung
- Die Übergabe von wertvollem Schmuck, Möbeln oder Kunst
Die Wertermittlung – Was war die Schenkung wert?
Wenn der Wert nicht klar ist (wie bei einem Geldbetrag), muss die geschenkte Sache oft von einem Experten bewertet werden.
Wichtig: Um die Inflation auszugleichen, wird der damalige Wert auf den Todeszeitpunkt hochgerechnet. Dafür wird der offizielle Verbraucherpreisindex der Statistik Austria verwendet. Dieser indexierte Wert ist die Basis für die Berechnung der Pflichtteile.
Beispiel:
A hat von seiner nunmehr verstorbenen Mutter im Juni 1997 eine Wohnung geschenkt bekommen. Die Mutter ist am 5. 2. 2023 verstorben. Die Wohnung hatte im Juni 1997 einen Wert von € 150.000,-. Durch die Indexanpassung der Statistik Austria beträgt der Wert der Wohnung zum Todeszeitpunkt € 267.150,-.
Fristen & Regeln: Wann werden Schenkungen angerechnet?
Hier unterscheidet das Gesetz, wer das Geschenk erhalten hat.
1. Schenkungen an Personen, die NICHT pflichtteilsberechtigt sind
Hier gilt eine Zwei-Jahres-Frist. Hat der Verstorbene in den letzten zwei Jahren vor seinem Tod einer fremden Person (z.B. einem Freund oder einem Verein) etwas Wertvolles geschenkt, kann diese Schenkung zur Pflichtteilsberechnung hinzugezogen werden.
2. Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen
Bei Schenkungen an Kinder oder den Ehepartner/eingetragenen Partner gibt es keine Frist. Diese Schenkungen können immer zur Pflichtteilsberechnung herangezogen werden, egal, wann sie getätigt wurden.
Gut zu wissen: Auch Schenkungen an Enkelkinder können relevant sein! Enkelkinder sind zwar nur unter bestimmten Umständen (wenn ein Elternteil vorverstorben ist) konkret pflichtteilsberechtigt. Trotzdem können Schenkungen an sie angerechnet werden und sie zu Ausgleichszahlungen an Tanten, Onkel oder Eltern verpflichten.
Beispiel 1:
Ein Mann hinterlässt seine Ehegattin und ein gemeinsames Kind. Es gibt kein Testament. Ein Jahr vor seinem Tod hat er € 200.000,- dem Tierschutzverein geschenkt. Im Zeitpunkt des Todes ist kein Vermögen mehr vorhanden. Sowohl die Ehegattin als auch das Kind sind berechtigt die Summe von € 200.000,- als Bemessungsgrundlage für ihren jeweiligen Pflichtteil zum Nachlass hinzuzurechnen. Der Pflichtteil der Ehegattin beläuft sich damit auf 1/6-tel von € 200.000,-. Der Pflichtteil des Kindes beläuft sich auf 1/3-tel von € 200.000,-.
Beispiel 2:
Eine Frau hinterlässt drei Kinder, A, B und C. Es gibt kein Testament. Kind C wurde von der Mutter mit einem Studienzuschuss von € 50.000,- finanziell unterstützt. Kind A hat eine Liegenschaft im Wert von € 300.000,- erhalten. Im Zeitpunkt des Todes ist ein Vermögen von € 100.000,- vorhanden. B verlangt von A und C ihre jeweiligen Schenkungen auf den Nachlass anzurechnen.
Insgesamt ist die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil damit € 450.000,- (€ 100.000,- + € 50.000,- + € 300.000,-).
Der Pflichtteil jedes Kindes beläuft sich auf 1/6-tel, somit jeweils auf € 75.000,-. Im Erbweg erhält jedes Kind 1/3-tel von den noch vorhandenen € 100.000,- somit ca. € 33.333,33.
A: Kind A hat durch die Schenkung der Liegenschaft bereits seinen Pflichtteil erhalten und erhält außer der Erbschaft von € 33.333,33 nichts.
B: Kind B hat durch die Erbschaft von € 33.333,33 nur einen Teil seines Pflichtteils von € 75.000,- erhalten. Ihm/ihr fehlen noch € 41.666,67. Diesen Fehlbetrag kann er/sie von den Geschwistern verlangen und zwar im Verhältnis des Wertes ihrer Geschenke, also im Verhältnis 1:6. C muss dem B € 6.944,45 zahlen. A muss an den B einen Betrag von € 34.722,22 zahlen. Insgesamt hat B damit aus dem Erbe und den Zahlungen der Geschwister seinen Pflichtteil von € 75.000,- erhalten.
C: Kind C erhält die Erbschaft von € 33.333,33. Mit der Schenkung von € 50.000,- hat C damit bereits seinen Pflichtteil von € 75.000,- erhalten und bekommt keine zusätzlichen Beträge von den Geschwistern.
Beispiel 3:
Eine unverheiratete Großmutter hat zwei Söhne A und B. Kind A hat eine Tochter E. Die Großmutter schenkt im Jahr 2019 der Enkelin E ihr Haus unter dem Vorbehalt dort bis zu ihrem Tod wohnen zu dürfen. Die Großmutter verstirbt 2024. Aufgrund der intensiven Pflegebedürftigkeit der Großmutter ist im Zeitpunkt des Todes kein Vermögen mehr vorhanden. A und B (Vater und Onkel) können nun von E ihren jeweiligen Pflichtteil aus der Schenkung des Hauses verlangen.
Ihr gutes Recht: Der Auskunftsanspruch
Woher soll man wissen, was alles verschenkt wurde? Dafür gibt es einen gesetzlichen Auskunftsanspruch (§ 786 ABGB).
Pflichtteilsberechtigte, Erben und Vermächtnisnehmer können vom Beschenkten Auskunft über die erhaltene Schenkung verlangen. Der Beschenkte muss dann offenlegen, was er wann und in welchem Wert erhalten hat. Dieser Anspruch ist auch gerichtlich durchsetzbar.
Zusätzlich können Sie Einsicht in öffentliche Bücher (Grundbuch, Firmenbuch) nehmen und im Verlassenschaftsverfahren die Konten des Verstorbenen bis zu 7 Jahre rückwirkend einsehen.
Anrechnung auf den Erbteil (nicht nur auf den Pflichtteil)
Neben der Anrechnung auf den Pflichtteil kann es auch zu einer Anrechnung auf den gesetzlichen Erbteil unter Kindern kommen. Jedes Kind kann verlangen, dass sich Geschwister ihre Geschenke auf den Erbteil anrechnen lassen müssen.
Ausnahme: Der Erblasser hat diese Anrechnung ausdrücklich erlassen, zum Beispiel im Testament oder direkt im Schenkungsvertrag.
Beispiel:
Ein unverheirateter Mann hinterlässt drei Kinder, A, B und C. Es gibt kein Testament. Kind C wurde von der Mutter mit einem Geldgeschenk von € 60.000,- finanziell unterstützt. Er hinterlasst ein Vermögen von € 300.000,-. A und B verlangen jeweils die hinzu- und Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil des C.
Der Pflichtteil jedes Kindes beläuft sich auf 1/6-tel, somit jeweils auf € 60.000,- (Bemessungsgrundlage sind die erhöhten € 360.000). Im Erbweg erhält jedes Kind 1/3-tel von dem noch vorhandenen Nachlassvermögen iHv € 300.000, somit je € 100.000.
C: C muss sich seine Schenkung von € 60.000 auf seinen Erbteil anrechnen lassen und erhält nur € 40.000,- aus dem Nachlass, muss jedoch keine zusätzliche Ausgleichszahlung bezüglich der Pflichtteile seiner Geschwister leisten, weil deren Pflichtteile durch das Erbe bereits abgedeckt sind.
A: Der Pflichtteil des A iHv € 60.000,- ist durch das Erbe von € 100.000,- bereits abgedeckt. A erhält zusätzlich die Hälfte des angerechneten Betrags von C. A erhält damit insgesamt € 130.000 aus dem Nachlass.
B: Der Pflichtteil des B iHv € 60.000,- ist durch das Erbe von € 100.000,- bereits abgedeckt. B erhält zusätzlich die Hälfte des angerechneten Betrags von C. B erhält damit insgesamt € 130.000 aus dem Nachlass.
Haben Sie Fragen zur Berechnung Ihres Pflichtteils oder sind Sie mit Forderungen konfrontiert?
Die Berechnung des Schenkungspflichtteils kann sehr komplex sein. Gerne unterstütze ich Sie bei der Berechnung Ihres Erb-/oder Pflichtteils. Vereinbaren Sie einen Termin für ein Erstgespräch.
Schreiben Sie ein E-Mail unter office@kanzlei-rauf.at oder rufen Sie mich einfach direkt unter +43 664 925 5245 an. Sie können natürlich auch das Kontaktformular auf meiner Website nutzen.